16.04.2025

Abschließende Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte in der Zahnheilkunde

Praxisleitfaden

Im Oktober 2021 haben die Arbeitsgemeinschaft Medizinprodukte der Länder (AGMP), das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einem rechtlich nicht bindenden „Informationsschreiben“ verschiedene ärztliche Organisationen (zahnärztliche Organisationen befanden sich nicht im Verteiler) darüber informiert, dass „die Validierung manueller Reinigungs- und Desinfektionsverfahren dokumentierte Standardarbeitsanweisungen und mit auf Wirksamkeit geprüften und auf das Medizinprodukt abgestimmte Mittel und Verfahren voraus[setzt].“ Darüber hinaus postulierten die AGMP, das BfArM und das RKI im o. g. Text für die manuelle Desinfektion, dass „[..] durch Wischen für [..] die ausreichende Aufbringung des Desinfektionswirkstoffes auf allen zu desinfizierenden Oberflächen eine manuelle mechanische Krafteinwirkung erforderlich [sei]“ und „dieser manuelle Verfahrensschritt von jeder die Aufbereitung durchführenden Person in der jeweiligen Einrichtung für jedes so aufbereitete Medizinprodukt reproduzierbar belegt werden [müsse].“ Eine Tauchdesinfektion sei weiterhin zulässig.

Die im Oktober 2024 erschienene Bekanntmachung des Robert Koch-Instituts „Anlage 8: Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung thermolabiler Endoskope“, die sich ausschließlich mit Endoskopen befasst (also nicht mit meist deutlich einfacher aufgebauten zahnärztlichen MP), stellt wiederum klar, dass eine manuelle Aufbereitung durch abschließende Wischdesinfektion im Gegensatz zu den im Oktober 2021 von der AGMP verbreiteten Thesen weiterhin unter verschiedenen Voraussetzungen möglich ist, auch wenn in den Einsatzbereichen der Endoskope deutlich schwierigere Bedingungen für die Aufbereitung herrschen als bei den meisten zahnärztlichen Instrumenten.

Diese widersprüchlichen Aussagen haben zu Unsicherheiten und Nachfragen aus zahnärztlichen Praxen geführt.

Die Bundeszahnärztekammer stellt dazu fest:

  • Die abschließende Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte in der Zahnmedizin ist weiterhin möglich.
  • Seit 2002 wird in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung die grundsätzliche Forderung nach „validierten Verfahren“ bei der Aufbereitung von Medizinprodukten erhoben.
  • Die Zahnarztpraxen sind im Konsens mit den Aufsichtsbehörden der Länder dieser Forderung stets nachgekommen und haben durch individuelle und den Angaben der Hersteller entsprechende Arbeitsanweisungen sichergestellt, dass die Anforderungen an die Aufbereitung stets erfüllt wurden. Die Validierung erfolgt im Sinne eines Best-Practice-Verfahrens gemäß den Krinko/BfArm-Empfehlungen an die Risikobewertung angepasst. Es sind trotz hoher Anwendungsfrequenz keine durch die in Frage kommenden Medizinprodukte verursachten Infektionen bekannt.
  • Eine Qualifikation der Mitarbeiterinnen wird vermutet, wenn in einer nachgewiesenen abgeschlossenen Ausbildung in einem Medizinalfachberuf entsprechende Inhalte verankert sind.
  • Eine jährlich von den Praxen durchgeführte und dokumentierte Belehrung über Hygienemaßnahmen hält die Ausbildung der Mitarbeiterinnen in den Praxen zu diesem Thema aktuell.
  • Die in den Arbeitsanweisungen der Praxen enthaltenen Vorgehensweisen werden außerdem regelmäßig von den Zahnärztinnen und Zahnärzten überprüft und ggf. korrigiert. Ein regelmäßiges praxisinternes Training zur Wischdesinfektion ist empfehlenswert. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind vor Beginn ihrer Tätigkeit entsprechend einzuarbeiten.
  • Eine Vor-Ort-Validierung der abschließenden Wischdesinfektion durch externe Validierer ist nicht sinnvoll. Sie wäre eine nicht zielführende Momentaufnahme.
    Den individuellen Anpressdruck bei der Wischdesinfektion zu „standardisieren“ oder zu „validieren“ ist weder möglich noch zur Erzielung des gewünschten Ergebnisses erforderlich. Eine gute und erfolgreiche manuelle Aufbereitung per Wischdesinfektion ist primär eine Frage der Ausbildung, Fortbildung und Aktualisierung der Kenntnisse (Training) in diesem Bereich. Infektionen von Patienten nach abschließender Wischdesinfektion sind in der Zahnheilkunde nicht bekannt.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Bundeszahnärztekammer nachfolgendes Vorgehen bei der manuellen Aufbereitung von semikritischen Medizinprodukten. Hier handelt es sich in der zahnärztlichen Praxis regelmäßig um digitale Röntgensensoren, Polymerisationslampen zum Aushärten von zahnärztlichen Werkstoffen, Aufsätze von intraoralen Scannern und intraoralen Kameras:

  1. Die Herstelleranweisung zur Aufbereitung des Medizinproduktes ist grundsätzlich zu berücksichtigen. Vor der Anschaffung neuer Medizinprodukte ist es empfehlenswert, die Aufbereitungsanweisung zu studieren, um sich über die erforderlichen Maßnahmen zur Aufbereitung zu informieren, um die gewohnten Abläufe der Praxis möglichst nicht umfassend ändern zu müssen.
  2. Auch wenn im Gegensatz zu Endoskopen und Ultraschallsonden in der Zahnheilkunde schwer entfernbare Verschmutzungen und Restproteine wie z.B. Transmissionsgel, Faeces, Schleim oder Mageninhalt nicht vorkommen, muss zunächst eine gründliche Reinigung des MP erfolgen. Eine zeitnahe Reinigung zur Verhinderung einer Proteinfixierung durch Antrocknen ist sinnvoll. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Reinigung im Bereich von Fugen, Nuten und Nähten zu legen. Die verwendeten Wischtücher müssen vollständig durchtränkt sein.
  3. Schutzhüllen sind wesentliche Elemente eines Multibarrierenkonzeptes der Infektionsprävention bei der Anwendung semikritischer Medizinprodukte, für die Schutzhüllen zur Verfügung stehen, die nach Herstellerangabe angewendet werden können. 
    Die Verwendung von Schutzhüllen kann die Kontamination von MP verringern. Sollte in der Herstelleranweisung eine Schutzhülle vorgeschrieben sein, so ist diese zwingend zu verwenden. Die verwendete Schutzhülle muss vom Hersteller des MP zugelassen sein und keimarm gelagert und angewendet werden.
  4. Die abschließende Wischdesinfektion des MP sollte mit einem weiteren ausreichend mit einem geeigneten, viruziden Desinfektionsmittel getränkten Wischtuch unter Berücksichtigung der Herstellerangaben des MP durchgeführt werden.                                          
  5. Die Reproduzierbarkeit des Verfahrens (Validierung) wird sichergestellt durch                
    •  strikte Einhaltung der für die Aufbereitung des Medizinproduktes individuell in der Praxis unter Einbeziehung der Herstellerangaben erstellten und geltenden Arbeitsanweisung,
    • die Durchführung der Aufbereitung durch qualifiziertes Personal sowie die schriftliche Festlegung der einzelnen Aufbereitungsschritte und der zur Aufbereitung berechtigten Personen,
    • eine jährliche Belehrung des Personals im Rahmen der vorgeschriebenen Hygienebelehrung sowie die dokumentierte Einweisung dieser Personen und die regelmäßige Prüfung der Durchführung durch Beobachtung. Diese erfolgt durch Hygieneverantwortliche oder Hygienebeauftragte der jeweiligen Praxis.

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Bundeszahnärztekammer April 2025


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