Die Laudatio auf Dr. Erika Reihlen hielt Dr. Wolfgang Schmiedel

02.02.2009

Die Laudatio: Ewald Harndt-Medaille für Dr. Erika Reihlen

Rede Dr. Wolfgang Schmiedel   (Verleihung am 23. Januar 2009 / Es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

seit dem Jahre 2001 verleiht die Zahnärztekammer Berlin die   „Ewald Harndt - Medaille“ an Personen sowie Kolleginnen und Kollegen, welche sich in herausragender Weise um unseren Berufsstand bzw. die Zahnmedizin verdient gemacht haben. Diese höchste Auszeichnung der Berliner Zahnärztekammer soll neben der Würdigung der Geehrten auch die Erinnerung an den im Jahre 1996 verstorbenen Professor Ewald Harndt, den ehemaligen Leiter der Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten und langjährigen Rektor der Freien Universität Berlin, hochhalten.

Alljährlich jemanden zu finden, der diese höchste Auszeichnung mit der Verleihung der „Ewald Harndt-Medaille“ ohne Wenn und Aber verdient, stellt den Vorstand der Zahnärztekammer Berlin immer wieder vor eine große und verantwortungsvolle Aufgabe. Umso glücklicher bin ich, Ihnen berichten zu dürfen, dass, als der Name der heute zu Ehrenden genannt wurde, die Entscheidung für diese Person mit spontanem Beifall aufgenommen wurde und ich bin jetzt schon sicher, dass sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, sich am Ende dieser Veranstaltung diesem Beifall anschließen werden, umso mehr, wenn wir die Vita der heutigen Empfängerin der „Ewald Harndt-Medaille“, Ihrer Vita, liebe Frau Kollegin Reihlen, gehört haben.

Erika Reihlen wurde am 2. August 1936 in Brühl bei Köln geboren. Und darf ich Ihnen, liebe Frau Reihlen, als erstes von dieser Stelle ein großes Kompliment machen: Dass Sie in diesem Jahre 73 Jahre alt werden, sieht man Ihnen wahrlich nicht an! Ganz offensichtlich hat auch Ihr jahrzehntelanges Engagement für Kinder Sie so jung gehalten!  Doch zurück zu Ihrem Lebenslauf:

1956 machte Frau Kollegin Reihlen ihr Abitur und begann noch im selben Jahr mit dem Studium der Zahnheilkunde in Köln und Freiburg. 1961 legte sie ihr Staatsexamen ab und promovierte zum Dr. med. dent..   

In den Jahren 1962 bis 1966 brachte sie drei Kinder zur Welt, und die mütterliche Fürsorge für die allgemeine, aber auch die Zahngesundheit ihrer Kinder hat möglicherweise mit dazu beigetragen, dass sie den Weg eingeschlagen hat, welcher Grund für die heutige Verleihung ist. Denn schon früh, bereits 1976, übernahm Frau Kollegin Reihlen als Jugendzahnärztin berufliche Tätigkeiten im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Berlin, sie wurde Leiterin des Zahnärztlichen Dienstes in Berlin-Steglitz und Koordinatorin  der Berliner Jugendzahnpflege beim Senat von Berlin. 1981 bildete Sie sich freiwillig auf dem Gebiet der Kariesprophylaxe in Basel fort, machte 1983 ihre Weiterbildung zur Zahnärztin im Öffentlichen Gesundheitswesen in Berlin und wurde schließlich 1984 zur Medizinaldirektorin ernannt.

In den Jahren 1985 bis 1989 war sie stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kinderzahnheilkunde und Prophylaxe in der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde DGZMK, 1985 wurde sie als Vertreterin des Landes Berlin zunächst stellvertretende Vorsitzende der Vorläuferin der LAG, der Landesarbeitsgemeinschaft zur Verhütung von Zahnerkrankungen, sie war 1989 Gründungsmitglied der heutigen LAG und wurde schließlich am 24. März 1999 als Nachfolgerin des Kollegen Nachtweh zur Vorsitzenden dieser LAG gewählt. Neben dieser Tätigkeit engagierte sie sich als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der „Informationsstelle für Kariesprophylaxe“ im Deutschen Arbeitskreis für Zahnheilkunde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

verlassen wir einmal die Vita und kommen zu den Inhalten des beruflichen Wirkens von Frau Kollegin Reihlen.

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde DGZMK veröffentlichte im Jahre 1988 ein Grundsatzpapier für den Aufbau von Kinderzahnheilkunde und Prophylaxe unter dem Titel „Strukturelle Voraussetzungen von effizienter Jugendzahnpflege“, ein Jahr später folgte ein zweites organisatorisches Grundsatzpapier unter dem Titel „Zielgruppenorientierte Prophylaxe – Wege zur Realisierung effizienter Gruppenprophylaxe nach § 21 GRG.“ An beiden Papieren war Frau Kollegin Reihlen maßgeblich beteiligt und setzte damit schon sehr früh bundesweite Standards. Vorbild dafür war, gefördert durch eine Vielzahl von Eigenkontakten, welche Frau Reihlen mit Professor Marthaler und seinem Team in Zürich hatte, die Schweizer zahnmedizinische Gruppenprophylaxe, die dann in abgewandelter Form von Frau Dr. Reihlen in Deutschland und insbesondere in Berlin installiert wurde.

Frau Kollegin Reihlen entwickelte folgerichtig das Berliner Modell der Gruppenprophylaxe, welches auf der Basis von festangestellten „Gruppenprophylaxehelferinnen“ in enger Zusammenarbeit mit den Zahnärztlichen Diensten der Berliner Bezirke und in enger Kooperation mit der Berliner Zahnärztekammer durchgeführt wurde. Unter der maßgeblichen Mitarbeit von Frau Dr. Reihlen wurde das so genannte „Stufenkonzept“ der LAG entwickelt, welches den gesetzlichen Auftrag, alle Kinder bis zum 12. Lebensjahr zu versorgen, nicht auf einmal, sondern stufenweise verwirklichte, angefangen von den Kindergärten und - nach der allmählichen Aufstockung des Personals der LAG – bis hin in die Grundschulen. Sie übernahm persönlich die dafür notwendige Schulung des Personals und verbesserte das Schweizer Modell der so genannten „Putzmuttis“ durch die Einstellung professionellen Personals.  

Zu Beginn wurden alle Gruppenprophylaxehelferinnen im Zahnärztlichen Dienst in Berlin Steglitz, dessen Leitung Frau Kollegin Reihlen innehatte, von ihr persönlich geschult. Später, als die LAG angesichts wachsender Aufgaben und wachsenden Personals eigene Schulungskurse veranstaltete, engagierte sich Frau Dr. Reihlen als Dozentin bei diesen Kursen. Der Umstand, dass sie als Leiterin des zahnärztlichen Dienstes in Berlin Steglitz über exzellente Kontakte zu den anderen Zahnärztlichen Diensten verfügte, ermöglichte es der LAG, leicht den Weg in die Kindergärten und Schulen zu finden.

Doch nicht nur in Berlin engagierte sich Frau Dr. Reihlen in vorbildlicher Weise: Im Rahmen des Gesundheitsprojektes „Regie – Kompetenz kommunaler Gesundheitsämter“ exportierte sie das von ihr entwickelte Berliner Gruppenprophylaxemodell unter anderem nach Brandenburg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Name wird auf immer mit der Tätigkeit von Frau Reihlen verbunden bleiben, nachzulesen in den Zahnärztlichen Mitteilungen aus dem Jahre 2000 unter der Überschrift „Ihr Kind heißt KAI“, K -  A -  I.  Sie selbst erzählt dazu folgende Geschichte: „KAI entstand rein zufällig 1988 in einer Steglitzer Schule. Bei der Zahnputzroutine „Kauflächen-Außenflächen-Innenflächen“ meinte ein pfiffiger Schüler, das sei doch KAI. Dieser Name, diese Putzmethode, hat sich heute dank des Einsatzes von Frau Dr. Reihlen und der Aufmerksamkeit eines Berliner Schülers bundesweit etabliert. Wen wundert es nach alledem, dass Frau Dr. Reihlen es dabei nicht bewenden ließ, sondern diesen genialen Gedanken aufgriff und unverzüglich das vielen von Ihnen mittlerweile bekannte „KAI-Plakat“ entwickelte. Ein weiterer Schwerpunkt, den Frau Kollegin Reihlen bis heute mit unermüdlichem Einsatz vertritt, ist die Verbreitung von fluoridiertem Speisesalz, und so ist es nicht verwunderlich und bedarf besonderer Erwähnung, dass sich in den 17, ich wiederhole 17 Jahren ihres stetigen beruflichen Wirkens in der LAG bei der Entwicklung und Durchführung der  Gruppenprophylaxe in Berlin die Anzahl der von Karies befallenen 12-jährigen um nahezu die Hälfte reduziert hat!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, das vollständige Bild des Menschen Reihlen verlangt über ihre beruflichen Verdienste hinaus noch einer besonderen Abrundung. Anlässlich des 70. Geburtstages unser heutigen „Ewald Harndt-Medaillen“ – Empfängerin fand der damalige Vizepräsident der Zahnärztekammer Berlin, Herr Kollege Jürgen Gromball, die folgenden Worte:

„Ich danke Ihnen für Ihr sehr großes Engagement und Ihr beispielhaftes berufliches Leben. Sie haben stets mit Charme, Freundlichkeit, aber auch mit Festigkeit ihre Ziele durchgesetzt, ohne andere Menschen dabei zu verletzen.“ Und Jürgen Gromball fuhr fort: „Vielleicht ist dies das Geheimnis Ihres Erfolges, dass Sie alles, was Sie vertreten, mit Überzeugung tun, und dabei Ihre Familie hegen und in Ihrem Glauben ruhen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das Stichwort ist gefallen: „In Ihrem Glauben ruhen“. Frau Kollegin Reihlen engagierte sich bereits seit Mitte der 70er Jahre in der Kirchentagsarbeit, wurde 1976 Präsidiumsmitglied und leitete zehn Jahre lang den Projektausschuss „Markt der Möglichkeiten“. 1989 wurde sie in den Vorstand des Kirchentages gewählt, am 2. November 1991 schließlich wurde sie als zweite Frau und Nachfolgerin von Erhard Eppler für zwei Jahre Präsidentin des 25. Evangelischen Kirchentages und leitete diesen in München im Jahre 1993 mit großem Geschick. Die Erwähnung dieser Historie, die nun nichts mit berufspolitischen Wirken zu tun hat, macht allerdings überdeutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Frau Kollegin Reihlen ein Mensch ist, der schon früh bereit war, soziale, ethische und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, und Worten auch Taten folgen zu lassen. Dies wird mehr als bekräftigt, wenn man weiß, dass Frau Kollegin Reihlen neben den vielfältigen Aufgaben, die sie täglich zu bewältigen hatte, sich seit Jahren auch noch im Vorstand des Berliner Frauenhauses „BORA“ aktiv für notleidende Frauen engagiert.

Diese von ihr selbst übernommene hohe soziale Verantwortung, die sich wie ein roter Faden durch ihr Leben spinnt, ist der Öffentlichkeit natürlich nicht unbemerkt geblieben. Und an dieser Stelle, liebe Frau Reihlen, kann und will ich nicht umhin, auf die vielfältigen Ehrungen, die Sie bereits vor dem heutigen Tage erfahren haben, hinzuweisen:

Frau Kollegin Reihlen erhielt im November 1993 die höchste Auszeichnung der Deutschen Zahnärzteschaft, die Goldene Ehrennadel, für ihren unermüdlichen Einsatz für die Mundgesundheit der Kinder.

1994 erhielt sie das Ehrenzeichen des Bundesverbandes der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters von Berlin verlieh der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Frau Kollegin Reihlen am 5. September 2000 das Verdienstkreuz 1. Klasse, im selben Jahr noch, am 20. September 2000, erhielt sie die „Tholuck-Medaille“ für ihre Verdienste in der zahnmedizinischen Gesundheitserziehung.

Am 1. November 2006 empfing Frau Dr. Reihlen die „Johann-Hinrich-Wichern-Plakette“ aus der Hand des Bischoffs Dr. Wolfgang Huber für ihre langjährigen Verdienste in der diakonischen Arbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im Rahmen einer würdevollen Festveranstaltung, an welcher ich bedauerlicherweise teilzunehmen verhindert war, verabschiedete die LAG am 14. Oktober 2008 ihre langjährige Vorsitzende Frau Dr. Reihlen nach 17-jähriger Tätigkeit. Der ehemalige Berliner Gesundheitssenator Ulf Fink rief bei dieser Veranstaltung noch einmal in Erinnerung, dass die vielen Widerstände, welche bei der Einführung der frühkindlichen Gesundheitsförderung zu überwinden waren, erst durch das ausdauernde und standhafte Eintreten von Frau Dr. Reihlen gemeistert werden konnten. Lassen sie mich - dieses unterstreichend - aus der damaligen Festansprache des Vizepräsidenten der Berliner Zahnärztekammer, Herrn Kollegen Karsten Geist, zitieren. Karsten Geist wörtlich: „Ich habe mir sagen lassen, Frau Kollegin Reihlen sei keine Streiterin. Sie sei vielmehr eine Kämpferin, die mit Leidenschaft, Überzeugung und Beharrlichkeit einen Großteil ihres Lebens der Zahngesundheit der Kinder, nicht nur hier in Berlin, gewidmet hat.“


Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem ist nichts hinzuzufügen!

Liebe Frau Kollegin Reihlen, lassen Sie mich zum Abschluss dieser Laudatio einige persönliche Worte an Sie richten:

Nicht nur ich finde, Sie sind eine vorbildliche Kollegin, eine großartige Frau und ein herausragender Mensch! Ihre innere Einstellung, Ihr bewundernswert selbstloses soziales Engagement sowie ihr jahrelanges berufliches Engagement haben weit über Berlin und Deutschland hinaus Spuren hinterlassen. Mit der Art Ihres Denkens und Tuns, Ihres Wollen und Wirkens, sind Sie zum Vorbild für den zahnärztlichen Berufsstand geworden und haben sich um diesen in hohem Maße verdient gemacht!

Sie selbst sagten bei Ihrer Verabschiedung die folgenden Worte: „Die Aufgaben der LAG sind nicht erledigt, wir müssen dabei bleiben und mindestens das erreichte Niveau halten – möglichst aber weitere Fortschritte machen.“

Aus diesen Ihren Worten wird klar, wie sehr Sie sich auch nach dem Ende Ihrer offiziellen Tätigkeit  der  Arbeit der LAG verpflichtet fühlen, und Ihre Worte erwecken nicht nur in mir die Hoffnung, dass Sie auch über den Tag Ihrer Verabschiedung hinaus zumindest mit Ihren Erfahrungen und Ihrem unverzichtbaren Rat weiterhin zur Verfügung stehen.

Sehr geehrte, liebe Frau Kollegin Reihlen,

die hohe Wertschätzung, die Sie seit Jahren verdientermaßen genießen, wird überdeutlich, wenn ich Ihnen mitteile, wer in diesem Saal der heutigen Auszeichnung beiwohnt. Liebe Kolleginnen, bitte begrüßen Sie mit mir alle jetzt Genannten mit einem gemeinsamen Beifall am Ende der Aufzählung:.

Ich freue mich, begrüßen zu können den Präsidenten der Bundeszahnärztekammer, Herrn Kollegen Peter Engel, ich freue mich über die Anwesenheit des Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer, Herrn Kollegen Michael Frank, ich schätze mich glücklich, den langjährigen Präsidenten und jetzigen Ehrenpräsidenten der Bundeszahnärztekammer, Herrn Kollegen Jürgen Weitkamp unter uns zu wissen, ich begrüße den Präsidenten der Landeszahnärztekammern Bayern, Herrn Kollegen Michael Schwarz, den Präsidenten der Landeszahnärztekammer Brandenburg, Herrn Kollegen Jürgen Herbert, den Präsidenten der Hamburger Zahnärztekammer, Herrn Professor Sprekels, den Präsidenten der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe, Herrn Kollegen Walter Dieckhoff, die Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin, Kollegen Jörg Husemann und Karl-Georg Pochhammer, den Verleger Horst-Wolfgang Haase sowie last but not least, den ehemaligen Vorsitzenden der LAG, Herrn Kollegen Peter Nachtweh sowie die jetzige Vorsitzende der LAG, Frau Gerlinde König. (Beifall)

Liebe Frau Reihlen,

ich komme zum Schluss: Ich bin außerordentlich glücklich und dankbar, dass es mir vergönnt ist, Ihnen am heutigen Tage für Ihren langjährigen Einsatz für die Zahngesundheit und für Ihre Verdienste um den zahnärztlichen Berufsstand die „Ewald Harndt-Medaille“ überreichen zu dürfen.

Glauben Sie mir, liebe Frau Reihlen, der sich gleich anschließende Beifall wird Ihnen deutlich machen, dass die Entscheidung der Berliner Zahnärztekammer, gerade Ihnen diese hohe Ehrung zukommen zu lassen, die richtige war, denn Sie haben diese Ehrung wahrlich verdient!

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