Zahnärztekammer Berlin und der Psychotherapeutenkammer Berlin

17.06.2005

Erste gemeinsame Fortbildung von Zahnärzten und Psychotherapeuten in Berlin - Bedarf nach Kooperation ist mehr als evident

Presseinformation der Zahnärztekammer Berlin und der Psychotherapeutenkammer Berlin vom 17. Juni 2005

Die völlig überfüllte Fortbildungsveranstaltung im Hörsaal der Zahnklinik an der Aßmannshauser Straße war eine nachhaltige und in diesem Ausmaß nicht erwartete Bestätigung für das Kooperationskonzept von Zahnärzten und Psychotherapeuten. Ein rundes halbes Jahr zuvor hatte die Zahnärztekammer unter Leitung ihres Präsidenten Dr. Wolfgang Schmiedel Kontakt aufgenommen mit der Psychotherapeutenkammer Berlin, um eine Verbesserung der Versorgung psychosomatischer Zahnarztpatienten zu erreichen. Eine entsprechende Arbeitsgruppe auf höchster Ebene entwickelte als Ziel ein Kompetenz-Netzwerk, das beide Berufsgruppen nutzen können, und beschloss im Vorfeld geeignete Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölkerung und Vertiefung der Kenntnisse der Zahnärzte und Psychologen. Dazu gehörte die erste gemeinsame Fortbildungsveranstaltung am 7. Juni unter dem Thema „Psychosomatik in der Zahnheilkunde: Patienten erkennen – und wie weiter?“ Mit jeweils aus ihrem Fachgebiet einführenden Beiträgen gaben die Referenten Dr. Wolfgang Schmiedel und Dipl. Psychologe Michael Nahler einen ersten Eindruck, welche Bedeutung das Thema für beide Berufsstände hat und welche andere Sichtweise erforderlich ist, um Patienten erkennen, verstehen und ihnen helfen zu können. Dr. Schmiedel zitierte diverse Medienberichte der letzten Zeit, in denen auf den hohen Anteil psychisch kranker bzw. belasteter Menschen hingewiesen wurde, nicht zuletzt auch in Berlin, das als „Hauptstadt der Depressiven“ in die Schlagzeilen kam.

Im Vordergrund steht das Verstehen
Das Bewusstsein für psychosomatische Zusammenhänge sei ein Grundstein für das bessere Verständnis der Patienten und damit der erste Schritt, ihnen in der für sie richtigen Weise zu helfen: „Psychosomatische Medizin ist keine Spezialdisziplin, sondern eine geänderte Betrachtungsweise.“ Krankheiten könnten auch eine Mitteilung des Körpers hinsichtlich einer psychischen Problemsituation sein, was erklärbar mache, warum in solchen Fällen somatische Symptome nicht ohne Einbeziehung der psychischen Komponente therapiert werden können. Hier fehle der Zahnärzteschaft ein Grundwissen zu verschiedenen psychischen Störungen und den jeweils damit verbundenen sinnvollen Methoden, auf die davon betroffenen Patienten einzugehen. Nicht bewusst sei den Zahnärzten oft auch, dass das Kiefergelenk das einzige Gelenk sei, das nicht von Orthopäden behandelt werde, der Berufsstand müsse sich mit diesem Gelenk mehr befassen, auch die Psychotherapeuten sollten der Rolle des orofazialen Systems bei psychosomatischen und vor allem Schmerz-Symptomen mehr Beachtung schenken. Anhand zahlreicher Bilder, die dentale Symptome mit psychischer Ursache zeigten, schulte er gleichzeitig die Psychologen wie auch die Zahnärzte und sensibilisierte die Teilnehmer für derartige Zusammenhänge. Zugleich warnte er davor, eine psychosomatische Diagnostik als Alibi für eine insuffiziente Therapie oder zur Vermeidung unbequemer Patienten zu missbrauchen. Er empfahl, sich den Patienten gegenüber zu öffnen, den Patienten nicht „zu“zuhören, sondern „hin“zuhören und sich nicht nur darauf zu verlassen, was man mit den Augen sähe.

Dies griff Dipl. Psychologe Michael Nahler auf, der den Schmerz als „somatische Artikulation psychischer Belastungen“ beschrieb. Ein Schmerz müsse erklärt und die psychische Begleitung erkannt, genutzt und - bei Bedarf über längere Zeit - therapiert werden.
Die Psychologie ginge an das Thema beispielsweise mit der Fragestellung „Wie versteht der Patient seine Krankheit und wie bewertet er sie“ heran. Das Verstehen des Patienten stünde dabei im Vordergrund. Man ginge heute nicht mehr so sehr von der Defektologie aus, sondern sehe in der Krankheit eine – unvollkommene - Lösung des Problems mit bedauerlichen Störungserscheinungen. Ziel der Therapie sei es, den Patienten autonom und autark zu machen, dabei müsse die Kompetenz des Patienten erkannt werden, um sie mit den Kenntnissen der Psychotherapie sinnvoll nutzen zu können. Die Kooperation der Zahnärzte und Psychologen müsse dazu führen, die aktive Einstellung des Patienten zu fördern und zu nutzen. Michael Nahler gab den Zahnärzten noch einige hilfreiche Tipps zum Umgang mit schwierigen Patienten bzw. Situationen mit auf den Weg, u.a. empfahl er zur Vermeidung von Eskalationen: „Nehmen Sie den Ärger erst einmal an, und wenn die Grenzen der Belastung durch den Patienten zu groß werden: Wechseln Sie den Ort oder zumindest die Haltung, atmen Sie tief durch und reaktivieren Sie eine – zuvor verankerte – positive Referenzsituation.“ Vor allzu großen Hoffnungen, Patientenangst auf leichte Art zu lösen, warnte er mit dem Hinweis auf die Abläufe im Gehirn: „Angst und schlechte Erfahrungen sind in der Amygdala fest gespeichert und nur durch mehrfache erneute gute Erfahrungen zu überschreiben.“

„Aus dem „burning mouth Syndrom“ darf kein „burning out“ der Zahnärzte werden!“
Die von Zahnärztekammer und Psychotherapeutenkammer avisierten vertiefenden Fortbildungsver- anstaltungen, vor allem aber die in Vorbereitung befindliche gemeinsame Patientenberatung fand außerordentlich großes Interesse bei den Teilnehmern. Dr. Schmiedel traf mit seiner Formulierung „aus dem burning mouth Syndrom darf kein burning out der Zahnärzte werden!“ offenbar voll die Stimmung der Fortbildungs- teilnehmer, einer meinte nach der Veranstaltung: „Bitte beeilt euch!“ Dass die geplante Psychosomatische Beratungsstelle und die Kooperation beider Kammern insgesamt eine weitere Aufgabe haben sollte, wurde aber erst an diesem Abend deutlich – zahlreiche Zahnärzte bedauerten, dass man bei der Ausbildung nicht auf psychologische Aspekte vorbereitet würde, und wünschten sich, die Psychosomatische Beratungsstelle möge auch für Zahnärzte da sein und Anlaufstelle bei ihrer Angst vor schwierigen Patienten.
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