Dr. Wolfgang Schmiedel, Präsident der Zahnärztekammer Berlin
05.05.2008Leitartikel MBZ
MBZ 5-2008
Unser Berufsstand im freien Fall?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das soeben erschienene Jahrbuch 2007 der KZBV mit den darin enthaltenen statistischen Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung belegt auf erschreckende Weise den
betriebswirtschaftlichen Absturz unseres Berufsstandes. Der Realwert des Einnahmen-Überschusses einer durchschnittlichen zahnärztlichen Praxis hat sich seit 1976, also in den letzten drei Jahrzehnten, nahezu halbiert. Der langfristige Rückgang der zahnärztlichen Einkommen zeigt sich dabei besonders deutlich im Vergleich zu anderen Facharztgruppen:
1980 bewegte sich das Zahnarzteinkommen noch im oberen Bereich der Facharzteinkommen, 1997 lagen die Zahnärzte nur noch im Mittelfeld und seit 1999 sind sie kontinuierlich nunmehr in die untere Hälfte der Einkommensskala abgerutscht. Dabei arbeiten die Zahnärztinnen und Zahnärzte mit wöchentlich annähernd 50 Stunden überdurchschnittlich viel, und das zahnärztliche Finanzierungsvolumen bewegt sich bekanntermaßen im oberen Bereich der Facharztgruppen. Der Mittelwert des verfügbaren zahnärztlichen Einkommens lag im Jahre 2006 in Deutschland nur noch bei 54.590 Euro (in den alten Bundesländern bei 56.910 Euro und in den neuen Bundesländern bei 47.480 Euro). Verglichen mit einem Arbeitnehmer mit 13 Monatsgehältern entspricht dies einem Bundesdurchschnitt eines verfügbaren zahnärztlichen Einkommens von 4.200 Euro monatlich, Tendenz weiter sinkend!
Was liegt also auf den ersten Blick näher als der Gedanke, sich bei ausbleibenden und sinkenden Praxiseinnahmen andere Einnahmequellen zu erschließen? Angefangen hat diese Entwicklung schon vor einigen Jahren mit der (von der zahnärztlichen Approbationsordnung und dem Zahnheilkundegesetz jedoch nur im perioralen Raum gedeckten) privaten zahnärztlichen Dienstleistung des Unterspritzens von Falten mit „Botulinumtoxin“, auch „Botox“ genannt. Aber die unaufhaltsame rasante Fahrt in den Abgrund der kosmetischen Angebote geht weiter: Mir liegt eine Original-Visitenkarte einer Berliner zahnärztlichen Praxis vor, der ich folgende Anpreisungen entnehme: „Haarepilation, Fibrome, Faltenbehandlung, Altersflecken, Besenreiser, Permanent Make-Up. Alle Produkte mit Reinheitszertifikat.“
Ein Witz? Keineswegs, sondern traurige Wahrheit. Neuestes Angebot einer zahnärztlichen Praxis in Berlin: „Piercing und Tatoos! Bei uns garantiert steril!“
Natürlich ist mir bekannt, dass gerade in Berlin, der Stadt mit der höchsten Zahnarztdichte in Deutschland (Berlin: 889 Einwohner je behandelnden Zahnarzt, Bundesdurchschnitt: 1.246) ein besonders harter Verteilungskampf stattfindet. Und wenn ich auch Verständnis dafür aufbringe, dass viele Kolleginnen und Kollegen in Berlin alles in ihren Möglichkeiten stehende tun, um diese tägliche Herausforderung zu bestehen, muss ich doch an dieser Stelle (und dies nicht zum ersten Mal) warnend auf die drohende „Vergewerblichung“ unseres als „frei“ definierten Berufsstandes hinweisen.
Wenn die von mir aufgezeigten Tendenzen zunehmen, ist es absehbar und nur noch eine Frage der Zeit, dass unser Berufsstand Gefahr läuft, seine Anerkennung als freier Beruf zu verlieren und als Gewerbe eingestuft zu werden. Auf die damit automatisch verbundene Verpflichtung zur Zahlung von Umsatz- und Gewerbesteuer habe ich bereits mehrfach hingewiesen.
Die Lösung und damit die Verhinderung dieser drohenden Entwicklung kann nach meiner Auffassung nur in einer kontinuierlichen Fortbildung und somit in der Erbringung einer exzellenten Qualität zu sehen sein. Letztlich werden, denke ich, nicht diejenigen Kolleginnen und Kollegen den Kampf um die immer knapper werdenden Mittel bestehen können, welche ihre Patienten mit künstlichen Fingernägeln versehen, sondern diejenigen, welche sich durch Verlässlichkeit und besondere medizinische Qualität und Kenntnisse in unserem zahnmedizinischem Fachgebiet hervortun.
Ich darf Sie nach alledem darum bitten, ihr „außerzahnärztliches“ Angebot gewissenhaft zu überprüfen, damit die Zahnärztekammer nicht gezwungen wird, berufsrechtliche Schritte gegen Kolleginnen und Kollegen einzuleiten. Schritte, die für die Betroffenen sicher unangenehm sind, die aber dem Schutz unseres Berufsstandes dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend darf ich Sie auf die vom Vorstand der Zahnärztekammer gemeinsam entwickelte neue Web-Seite
www.zaek-berlin.de hinweisen (vgl. auch den Hinweis auf der Seite 8 dieses Heftes). Wir hoffen, dass die Gestaltung dieser Web-Seite Ihre Zustimmung findet und bitten, über kleine Geburtsfehler, die wir bemüht sind, zeitnah abzustellen, hinwegzusehen. Wir sind auch in anderen Bereichen dabei, das Dienstleistungsangebot der ZÄK Berlin weiter zu verbessern.
In diesem Sinne grüße ich Sie wie immer sehr herzlich, Ihr
Dr. Wolfgang Schmiedel, Präsident ZÄK Berlin