Dipl.-Stom. Karsten Geist, Vizepräsident der Zahnärztekammer Berlin
27.04.2009Leitartikel MBZ
MBZ 05-2009
Ein Parlamentarischer Abend der besonderen Art
Am 21. April fand in der Parlamentarischen Gesellschaft am Friedrich-Ebert-Platz eine bemerkenswerte Veranstaltung statt.
Die Mitglieder des Bundestages (MdB) Dr. Hans Georg Faust (Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit) und unser Kollege Dr. Rolf Koschorrek (Mitglied im Ausschuss für Gesundheit) luden zusammen mit der Bundeszahnärztekammer zu einem Parlamentarischen Abend mit dem Thema „Die Mundgesundheit von Menschen mit Behinderungen“ ein.
Ungewöhnlich ist erstens die Tatsache, dass für gewöhnlich nur die Abgeordneten eingeladen werden. An diesem Abend luden
SIE Vertreter der Krankenkassen, verschiedener Behindertenorganisationen, Zahnärztlicher Körperschaften aus Bund und Ländern, der Fachpresse, verschiedener Fachgesellschaften, der medizinischen Dienste und der Politik ein.
Ziel war es, über die Möglichkeiten der Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen ins Gespräch zu kommen.
Zweitens war die Feststellung eines MdB bemerkenswert: „Von allen Parlamentarischen Abenden ist dieser der, bei dem am meisten herausgekommen ist!“ Das heißt, das Ziel wurde erreicht. Zu verdanken haben wir das in erster Linie unserer Kollegin Dr. Imke Kaschke, die mit ihrer charmanten und dennoch beharrlichen Art die Bedeutung dieses Themas vortrug und speziell an Hand des Berliner Modellprojektes zur Mundgesundheitsförderung für erwachsene Bewohner von Behinderteneinrichtungen (s. Seite 6 dieses MBZ) die Verantwortung der Gesellschaft für die ca. 8% unserer Bevölkerung mit schweren Behinderungen herausstellen konnte.
Kollege Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, legte in seinem Referat dar, welche Erfolge die Deutschen Zahnärzte in ihrem Engagement in dieser Hinsicht bereits erzielt haben. Beide wiesen jedoch darauf hin, dass ein weiteres Vorankommen nur durch eine veränderte, differenzierte Finanzierung dieses Bereiches möglich werden kann. Dazu wird es unumgänglich sein, eine Gesetzesänderung herbeizuführen, die es den Kostenträgern ermöglicht, sektorenübergreifend zu unterstützen und damit der flächendeckenden, adäquaten Versorgung und Prävention Tür und Tor zu öffnen.
In der sich anschließenden Diskussion zeigte sich nicht nur die emotionale Motivation der bereits engagierten Beteiligten, sondern auch die emotionale Betroffenheit derer, die sich bisher mit dieser Thematik eher weniger beschäftigt hatten. Es wurde auch deutlich, dass unter den medizinischen Professionen das sektorale Denken zum Teil ebenso tief verankert ist, wie bei den Kostenträgern und dem Gesetzgeber. Besonders deutlich wurde das an dem Beispiel der Anästhesisten, die sich momentan gezwungen sehen, für die Vollnarkose Zuzahlungen zu fordern. Als diesbezüglich leise Vorwürfe geäußert wurden, kam von einem Vertreter der Facharztgruppe der Vorschlag, „Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen!“, und er meinte in diesem Fall die Zahnärztinnen und Zahnärzte, die ihre Patienten unter Vollnarkose behandeln. Sicher ist das denen ebenso wenig zuzumuten, wie den Krankenhäusern, die bei stationären Aufenthalten für die ggf. notwendige zahnärztliche Behandlung dank DRG die Kosten aus ihren Vergütungspauschalen zu tragen haben.
Fazit des Abends war die einhellige Einsicht aller, in dieser Thematik weiter im Gespräch bleiben zu müssen und die gegenseitige Versicherung der Bereitschaft dazu. Lösungsansätze, die dringend nötig sind, können im bestehenden System der Gesetzlichen Krankenversicherung, mit Regelleistungsvolumina, Honorarverteilungsmaßstäben und gedeckelten Gesamtvergütungen nicht gefunden werden. Wenn die bisherigen Projekte den Modellcharakter überwinden sollen, dann erfordert der bisherige persönlich ideelle und materielle Einsatz, der herausragende Erfolge erzielt hat und dennoch an seine Grenzen stößt, dringend bundesweite Gesetzesinitiativen zur Erfolgssicherung. Die interdisziplinäre Aus- und Weiterbildung der Ärzte und Zahnärzte und ebenso des Fach- und Pflegepersonals ist dabei zu überarbeiten und es ist regional zu klären, ob zentrale oder dezentrale Strukturen diesen Sektor besser versorgen können.
Von Seiten der Zahnärzteschaft konnten wir in unserem Bemühen, einem Teil der Bevölkerung eine Stimme zu verleihen, der für sich selbst nicht sprechen kann, gar nicht mehr erwarten.
Karsten Geist
Vizepräsident