07.01.2004

Neu seit 1. Januar 2004: "Kostenerstattung" für alle Gesetzlich Versicherten "Behandlung wie Privatpatient?"

Presseinformation der Zahnärztekammer Berlin vom 7. Januar 2004

Seit 1. Januar 2004 können alle gesetzlich versicherten Patienten (bisher nur die freiwillig Versicherten) erstmals „Kostenerstattung“ wählen: Für alle ambulanten Behandlungen – beim Zahnarzt und auch beim Arzt – bedeutet dies, dass man die Rechnung seines Zahnarztes oder Arztes selbst erhält und sie dann zur Kosten-Erstattung bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung einreicht. „Grundlage für die Erstattung der Kosten sind die in der gesetzlichen Krankenversicherung gültigen Vergütungsregeln“, sagt dazu Carsten Wagner vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS). Die Krankenkasse könne auch Abschläge für Verwaltungskosten nehmen. Wichtig für die Versicherten: Sie sind ein ganzes Jahr lang an diese Entscheidung zur Kostenerstattung gebunden, sollten sich dies daher gut überlegen, so der Sprecher des Ministeriums.

Welche Vor- und Nachteile haben die Patienten z.B. in der zahnärztlichen Versorgung zu erwarten, die sich für „Kostenerstattung“ entscheiden?
Fragen an Dr. Christian Bolstorff, Präsident der Zahnärztekammer Berlin:

1. Was bedeutet Kostenerstattung für einen gesetzlich versicherten Patienten, wenn er zur zahnmedizinischen Behandlung geht: Muss er diese Art der Bezahlung vorher bekannt geben?
Dr. Bolstorff: Man muss das nicht extra betonen, sondern das Praxisteam erfährt es dadurch, dass entweder eine Chip-Card einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben wird – dann läuft die Behandlung wie bisher über die gesetzliche Kasse. Oder es wird keine Chip-Card abgegeben, dann wird der Patient wie ein Privatpatient behandelt und erhält eine entsprechende Rechnung. Für den Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse heißt das: Er muss keine 10 € Kassengebühr bezahlen, er wird behandelt wie ein Privatpatient und bezahlt auch so. Seine Krankenversicherung gibt ihm nach der eingereichten Rechnung einen Zuschuss zu seiner Behandlung, wird aber unabhängig von der Höhe des Zuschusses einen Abschlag für die Verwaltung erheben, vermutlich in Höhe von rund 10 %.

2. Wenn ein Patient nach der Behandlung die Rechnung erhält, muss er selbst alles gleich bezahlen oder kann er die Rechnung erst einmal an seine gesetzliche Krankenversicherung weiterleiten und erst nach der Bearbeitung dort und erhaltener Kosten-Erstattung die zahnärztliche Leistung bezahlen?

Dr. Bolstorff: Das ist bei gesetzlich Versicherten, die „Kostenerstattung“ gewählt haben, genauso wie bei Privatpatienten. In der Regel bezahlt der Patient die Rechnung und holt sich dann von seiner Krankenversicherung, was diese an Kosten der Behandlung übernimmt. Wenn es um hohe Beträge geht, kann man aber mit seinem Zahnarzt darüber reden, in welchen Schritten die Bezahlung erfolgen kann – auch das wurde bisher üblicherweise mit unseren privat zahlenden Patienten so gehandhabt.

3. Gilt dieses Verfahren auch für alle mitversicherten Familienangehörigen?
Dr. Bolstorff: Entscheidend ist der Versicherte: Wenn dies ein Familienvater ist, sind automatisch alle mitversicherten, d.h. nicht erwerbstätigen und dadurch selbst krankenversicherten Familienmitglieder auch nach dem Prinzip „Kostenerstattung“ versichert.

4. Welche Vorteile bringt einem Patienten dieses Verfahren?

Dr. Bolstorff: Ganz abgesehen von den gesparten 10 €-Kassengebühr, sind die Vorteile doch sehr interessant. Gesetzlich versicherte Patienten können erstmals wie Privatpatienten Therapien aus dem gesamten Spektrum der anerkannten Verfahren wählen und unterliegen nicht den Restriktionen des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Neu ist, dass diesen Patienten anders als bisher aber zumindest diejenige Summe erstattet wird, die die Gesetzliche Krankenversicherung hätte ohnehin bezahlen müssen, wenn der Patient mit Verfahren aus ihrem Leistungskatalog behandelt worden wäre. Bisher galt: Entweder Kassenleistung – oder alles selbst bezahlen. Nun gibt es eine Art Kompromiss. Ein Beispiel: Ein Patient braucht eine neue Krone im Frontzahnbereich. Bisher hatte der gesetzlich versicherte Patient die Wahl, sich eine Metallkeramikkrone nach den Richtlinien der GKV machen zu lassen und entsprechende Zuschüsse zu bekommen – oder die gewünschte Vollkeramikkrone, die nicht zum Leistungskatalog der GKV gehört, vollständig selbst zu bezahlen. Seit 1. Januar 2004 ist es mit dem Prinzip der Kostenerstattung möglich, eine Vollkeramikkrone zu bekommen und den für die Metallkeramikkrone üblicherweise gewährten Zuschuss der GKV – allerdings abzüglich der Verwaltungsgebühr. Es wird dennoch für viele Patienten leichter, sich eine höherwertige Versorgung zu leisten.

5. Mit welchen Nachteilen muss man rechnen?

Dr. Bolstorff: Die Erstattung der Kosten wird in der Regel nicht 1:1 sein, denn die Rechnung des Zahnarztes ist eine Liquidation nach GOZ, das bedeutet: Es werden die bei Privatbehandlung üblichen Honorarsätze in Rechnung gestellt. Die einzelnen Maßnahmen nach GOZ weisen eine Differenz gegenüber den Gebühren für BEMA-Leistungen auf, die Grundlage der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungen sind. Überlegen sollte man sich auch dann den Weg in die „Kostenerstattung“, wenn man unsicher ist, ob man sich das Verfahren leisten kann und will, denn man ist ein komplettes Jahr an dieses Prinzip gebunden und kann dieses Verfahren nicht allein für die zahnmedizinische Versorgung wählen, sondern wenn, dann gilt es für die ärztlichen und die zahnärztlichen Behandlungen generell. Das neue Prinzip Kostenerstattung wird vor allem diejenigen ansprechen, die eigentlich Privatpatienten wären, aber aus verschiedenen Gründen dennoch in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, und all diejenigen, die an den Weiterentwicklungen der modernen Zahnheilkunde teilhaben und die Differenz zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse selbst tragen wollen.

6. Halten Sie die Kostenerstattung für einen Gewinn für die Patienten und ihre zahnmedizinische Versorgung?
Dr. Bolstorff: Auf jeden Fall: Ja! Für diese Patienten gilt Therapiefreiheit – sie müssen keine Grenzen der gesetzlichen Krankenversicherung beachten oder auf Zuschüsse verzichten, nur weil sie eine bessere Versorgung wünschen. Sie können mit ihrem Zahnarzt frei absprechen, welche Versorgungsqualität sie haben möchten und haben trotzdem Anspruch auf eine finanzielle Beteiligung ihrer gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist ein Kompromiss, der vielen Patienten nun den Weg frei macht für mehr Freiheit und noch bessere Qualität. Festhalten will ich dennoch, dass die auf Chip-Card behandelten Patienten keineswegs eine „schlechte Qualität“ bekommen: Die moderne Zahnheilkunde ist auf einem hohen Level und bietet ein erhebliches Spektrum an sinnvollen und erfolgreichen Behandlungsmaßnahmen. Zweckmäßig wird die Versorgung auf Chip-Card auf jeden Fall sein. Aber wenn es „etwas mehr“ sein soll, dann hat ein gesetzlich versicherter Patient mit der neuen Möglichkeit „Kostenerstattung“ eine enorme Erweiterung seines Versorgungsspektrums!
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