50-Jahr-Feier der FU-Zahnklinik

09.06.2005

„Tradition und Fortschritt“: 50-Jahr-Feier der FU-Zahnklinik mit bewegenden Momenten

Presseinformation des Vereins der Freunde und Förderer der Zahnmedizin an der Freien Universität Berlin e.V. vom 9. Juni 2005

Schwester Ella muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein: Wann immer einer der Gastredner im Rahmen der Akademischen Feier zum 50. Jahrestag der Grundsteinlegung der FU-Zahnklinik an alte Zeiten erinnerte und dabei auf Schwester Ella zu sprechen kam, gab es unter den über 200 Teilnehmern, darunter viele Erstsemester aus der damaligen Zeit, Lacher und Seufzer. Da wurde deutlich, wie groß die Anzahl Ehemaliger war, die sich die Akademische Feier am Jahrestag, dem 4. Juni 2005 in der nun zur Charité gehörenden Zahnklinik in der Aßmannshauser Straße nicht entgehen lassen wollte. Was sie wiederfanden, war nicht nur die bekannte Architektur, sondern auch die alte Bestuhlung im großen Hörsaal, die wie damals beim Studium einiges an Gymnastik verlangt, wenn man zu den mittleren Plätzen der Reihen vordringen will. In einem mit vielen persönlichen Facetten und historischen Fotos angereicherten Vortrag*) brachte Prof. Dr. Joachim Viohl allen Teilnehmern den Start und die Entwicklung der FU-Zahnklinik nahe und endete mit heftiger Kritik an der aktuellen politischen Situation: „Es ist ein Etikettenschwindel, aus drei Zahnkliniken eine zu machen und ein Armutszeugnis, die Zahnheilkunde in Berlin um zwei Drittel zu verkleinern!“ Schließlich sei ‚Wissen’ der einzige Rohstoff, über den Deutschland verfüge.

Grußworte von Stadt und Berufspolitik

Nicht die Räume seien wichtig, damit erinnerte Berlins Gesundheitssenatorin Dr. Heidi Knake-Werner an Stimmen der US-Kommmandieren aus dem Jahr 1951 in Berlin, sondern es sei der Geist, der dort herrsche. Die FU-Zahnklinik habe viele Höhen und Tiefen erlebt und gleich mehrere Schließungspläne überstanden und sie sei sicher, dass man auch in Zukunft auf diese Zahnklinik bauen könne. Ihre Grußworte verband sie mit dem Dank an die Berliner Zahnärzte für den großen Einsatz zur Unterstützung der zahnärztlichen Versorgung sozial schwacher Mitbürger und kündigte an, dass sich der Öffentliche Gesundheitsdienst in Zukunft mehr der zahnärztlichen Prophylaxe zuwenden werde. Dies griff Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Präsident der Bundeszahnärztekammer, gleich auf und stellte fest, dass Prävention der Grundstein der Zahnheilkunde sei und man sich quasi als ‚Weltmeister in der Prävention’ nicht zu verstecken brauche. Er gratulierte der vergleichsweise jungen Zahnklinik im Namen der deutschen Zahnärzte und betonte die Freiheitlichkeit: Mit der Gründung der Zahnklinik an der Freien Universität als Folge politischer Repressalien der neuen Machthaber gegenüber dem Klinikbetrieb am Standort Unter den Linden „fand ein freier Beruf, wie wir ihn im ambulanten Bereich ausüben, eine hervorragende Ausbildungsstätte!“ Für die durch die Zusammenlegung von FU-Zahnklinik und Charité aufkommenden Unruhegefühle hatte Dr. Weitkamp, der auch an der FU-Klinik studiert hatte, großes Verständnis – er erinnerte daran, dass vor dem Umzug der BZÄK nach Berlin solche Unsicherheiten und Spannungen ebenfalls existiert hätten. Aus eigener Erfahrung sei er daher „fester Überzeugung, dass sich bei gegenseitige Toleranz und Kollegialität die natürlichen Vorbehalte entkräften lassen.“ Berlin habe eine lange Tradition in Toleranz und Freiheitsliebe, er wünschte der Klinik, dass der einzigartige Geist der Gründerzeit ihr auch auf den neuen Wegen erhalten bleibe.

Mit einem Dank an seine „Ziehmutter“ Alma Mater machte Dr. Wolfgang Schmiedel, Präsident der Zahnärztekammer Berlin, die philosophische Bedeutung des Begriffes Tradition deutlich und ihre Rolle für die Bildung. Es gebe bei Tradition eben nicht um Bewahren des Alten, sondern um aktive Weitergabe des Wissens wie eine Erbschaft an die nächste Generation. „Die Tradition ist kein Ruhekissen, sondern ein Sprungbrett“, betonte er und rief dazu auf, Forschung und Lehre in der zusammengelegten Klinik mit Freude und Begeisterung und mit Leben zu füllen. Der für Medizin zuständige Vizepräsident der FU, Prof. Dr. Rudolf Tauber, schloss sich dem an. Vor 50 Jahren habe es einen Neubeginn gegeben, nach vielen politisch verursachten Wirren stünde die Zahnklinik nun erneut vor einer solchen Herausforderung. Zusammen mit dem an der Zahnklinik angesiedelten Fortbildungsinstitut Philipp Pfaff, der LAG und dem beginnenden Zusammenwachsen mit der Zahnklinik der Charité habe die bisherige FU-Zahnklinik ein großes Potential, dessen Entwicklung sie gestalten könne – die Zahnklinik in der Aßmannshauser Straße könne zu einem Brennpunkt zahnmedizinischer Wissenschaft in Deutschland werden..

Lernen durch den Blick zurück

In seinem bewegenden und hoch spannenden Festvortrag berichtete Anthropologe und Zahnmediziner Prof. Dr. Kurt W. Alt, Mainz, über die große Bedeutung der Zähne für die Erforschung der Entwicklung der Menschheit. So könne mit modernen Verfahren anhand der Zähne heute nicht nur analysiert werden, ob ein nun in München lebender Mann seine Kindheit zuvor in Hamburg verbracht habe, sondern man sei gerade dabei zu belegen, dass die sagenhaften Amazonen nicht nur tatsächlich gelebt, sondern offenbar in der heutigen Zeit sogar direkte Nachfahrinnen haben.

Auf die Bedeutung des Blickes zurück verwies auch DGZMK-Präsident Prof. Dr. Georg Meyer/Greifswald: Er habe kürzlich eine sehr alte Patientin gesehen, die eine rund 80 Jahre alte und perfekt sitzende Goldhämmerfüllungen gezeigt habe. Daneben seien wenig überzeugende, erst zwei Jahre junge Füllungen aus Komposit zu sehen gewesen. Auch im Sinne des FU-Gründers Prof. Dr. Ewald Harndt appellierte er an die Zahnärzte, solche aus medizinischer Sicht hoch erfolgreichen Versorgungen nicht blindlings modernen, möglicherweise problematischen neuen Materialien und Techniken zu opfern:„Wir reden zu recht von Goldstandard, nicht von Kompositstandard!“ Gold sei das einzige Material, über das die Gingiva hinweg gehe; gut gemacht halte eine Goldhämmerfüllung rund 80 Jahre. Auch das allein aus populistischen Gründen verdrängte Amalgam käme derzeit mit großer wissenschaftlicher Unterstützung zurück in die Praxen. Bei aller Anerkennung neuer Materialien und Möglichkeiten und auch der Chancen für die Ästhetik möge man sich zuerst auf den Namen des Berufsstandes besinnen – man sei Zahnarzt und nicht Zahnästhetiker. Ganzheitliches Denken und medizinische Verantwortung sei das, was heute von den Zahnärzten erwartet werde, sagte Prof. Meyer unter großem Beifall: „Unser Auftreten und unsere Art muss ärztlich sein!“

Die bewegende Bedeutung der Freiheit im Namen der Universität
Auch zum Abschluß der Veranstaltung kam Schwester Ella noch einmal in Gedanken mit zur Feierstunde: „Wir haben um sie herum gezirzt, um ein bisschen extra Material zum Arbeiten zu bekommen“, erzählte Dr. Jochen Gledtitsch von seinen Erfahrungen aus der Startzeit der Zahnklinik. Damals sei man dankbar und glücklich gewesen, trotz aller bestehenden Mängel, in Freiheit studieren zu dürfen.
Die besondere Bedeutung der Freiheit betonte auch Prof. Dr. Wolfgang B. Freesmeyer, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer, der zusammen mit Dr. Jürgen Gromball, Vizepräsident der Zahnärztekammer Berlin, die immer wieder bewegende und mit viel Applaus begleitete Veranstaltung organisiert hatte: In seinem Grußwort zur Eröffnung zitierte er ein Schreiben von Dr. Kurt Eberhard aus Eisfeld, der aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht zur Akademischen Feier nach Berlin kommen konnte und in seinem Brief daran erinnerte, dass unter den Erstsemestern damals auch viele ehemalige Kriegsgefangene waren: „Für uns löste der Zusatz ‚Freie’ im Namen unserer Universität Emotionen aus, die schwerlich nachempfunden werden können.“

*) Prof. Viohl hat aus Anlaß der Jubiläums eine Festschrift erarbeitet, sie ist erhältlich im Büro von Prof. Freesmeyer Tel.: 030 / 84456244, E-Mail: susanne.strampp@charite.de
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