Ingmar Dobberstein, Vorstandsreferent der Zahnärztekammer Berlin für den Bereich ZFA

01.07.2009

Untragbare Forderungen: Berliner Zahnärzte kündigen Mitgliedschaft im Bündnis für die Vergütungsbedingungen der ZFA

Presseinformation der Zahnärztekammer Berlin vom 1. Juli 2009

Die Vertreter der Berliner Zahnärzte haben nach Bekanntwerden der Forderungen des Verbandes der medizinischen Fachberufe (VmF) im Vorfeld der diesjährigen Verhandlungen für die Arbeits- und Vergütungsbedingungen der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) am 24. Juni 2009, in Absprache mit dem Vorstand der Zahnärztekammer Berlin, den Ausstieg aus dem Bündnis beschlossen.

Das Bündnis, auf Arbeitgeberseite der Zahnärzteschaft bisher durch die Bundesländer Hessen, Westfalen-Lippe, Hamburg und Berlin vertreten, hatte zuletzt 2007 einen für beide Seiten einvernehmlichen Abschluss vereinbaren können, bei dem eine Steigerung um 3,5% sowie die gesetzliche Verankerung der betrieblichen Altersvorsorge beschlossen wurden. Schon 2007 musste der Kammerreferent der ZÄK Berlin, Ingmar Dobberstein, für die Berliner Kollegen eine Sondervereinbarung aushandeln, die zwar die betriebliche Altersvorsorge in vollem Umfang, die Lohnsteigerungen aber nur bis 3% mit getragen hatte.
"Berlin hat seit jeher eine Sonderstellung im Vergleich zu den meisten Schwellenländern in Deutschland, die sich unter anderem durch eine überproportionale Zahnarztdichte sowie geringere Punktwerte im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern auszeichnet", so Ingmar Dobberstein, ZFA-Referent im Vorstand der Berliner Zahnärztekammer.

Mit den diesjährigen Forderungen des VmF nach 7,5% Lohnsteigerungen und 75 Euro mehr Ausbildungsvergütung bei gerade mal einem Jahr Laufzeit des neuen Vertrages ist auch nach Ansicht des Vorstandes der Berliner Zahnärztekammer ein positives Verhandlungsergebnis für die Berliner Kollegen in keinem Fall denkbar. Da die Lohnsteigerung in Berlin im Falle eines Abschlusses ohnehin noch an die der anderen Bundesländer hätte angeglichen werden müssen, müsste auf jegliches Ergebnis weitere 0,5% für die Berliner Kollegen hinzugerechnet werden.

Auch wenn nur ein Bruchteil der Berliner Kollegen dem Bündnis angehört, dienen die Abschlüsse einer Orientierung aller Kollegen in Bezug auf die Gehälter und Ausbildungsvergütungen für ZFA. "Wir nehmen das Thema einer leistungsgerechten Vergütung für unsere Mitarbeiter in der Berliner Kammer sehr ernst, und die Entscheidung zum Ausstieg aus dem Tarifbündnis war dementsprechend keine leichte. Bedenkt man jedoch, in welcher Situation die Zahnmedizin im deutschen Gesundheitssystem steckt, grenzt es an Gedankenlosigkeit und Unverhältnismäßigkeit, mit solchen Forderungen in eine Verhandlung zu gehen," so Kammerreferent Ingmar Dobberstein.

Tatsächlich sind die Ausgaben des deutschen Gesundheitssystems, so Dobberstein, in den letzten Jahren für die meisten Bereiche (Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser, siehe KZBV Jahresstatistik) erhöht worden, in der Zahnmedizin dagegen wurden sie sogar verringert. Übertroffen wird dies lediglich durch die Entwicklung im Bema- und GOZ-Bereich. Nachdem der Bema 2005 zum Beispiel im Bereich der Volkskrankheit Nr. 1, der Parodontitis, um nahezu 30% abgewertet wurde, warten die Zahnmediziner nunmehr seit 21 Jahren auf eine Novellierung der GOZ unter Berücksichtigung einer modernen und leistungsgerechten Zahnmedizin. Konsequenzen dieses unliebsamen Umgangs der Politik mit ihren Leistungserbringern im Gesundheitswesen sind vielfache Praxisschließungen und  Insolvenzen sowie Gehälter für angestellte Zahnärzte, bei denen geringer qualifizierte Berufsgruppen nicht einmal Bewerbungsschreiben aufsetzen würden.
Dabei sollte man an dieser Stelle anerkennen, dass zum Beispiel die Ausbildungsvergütungen für ZFA in Berlin im Durchschnitt 100 € über denen aller anderen neuen Bundesländer liegen. Zeitgleich muss Berlin im Moment keineswegs sinkende Ausbildungszahlen beklagen, wie es in nahezu allen Flächenländern der Fall ist.

"Berlin nimmt beim Thema Gehälter für ZFA und auch angestellte Zahnärzte eine Sonderposition ein: Ähnlich wie in den anderen neuen Bundesländern liegen nicht selten die Einstiegsgehälter frisch absolvierter Zahnärzte unter den Einstiegsgehältern der ZFA“, so Ingmar Dobberstein. „Es geht uns nicht um "Futterneid", sondern es muss deutlich werden, was die derzeitige reale Lage im Gesundheitssystem ist. Von Pauschalsätzen, die sich nur über eine Kassen-Massen-Praxis refinanzieren können, werden in Zukunft weder die Zahnärzte noch die Allgemeinmediziner leben können."

Im Zuge dieser Gesamtsituation - die allgemeine Finanzkrise der westlichen Staaten bleibe dabei sogar unerwähnt - sei es in keinem Fall ein Zeichen der Solidarität zwischen den Berufsgruppen, mit derart überhöhten Forderungen in die Verhandlungen zu gehen. Immerhin handele es sich bei der Zahnmedizin nicht um Teile der Großindustrie mit Milliardenüberschüssen, sondern vielmehr um kleine mittelständische Betriebe, die ohnehin ein hohes Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze haben: "Während die Konzerne ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit schicken, konnten derartige Maßnahmen in den Praxen bisher weitestgehend vermieden werden."

Die Berliner Zahnärzte haben sich aus diesen Gründen sowohl sachlich als auch politisch gegen weitere Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite entschieden, die "offensichtlich weit mehr Interesse an schön darstellbaren Gehaltsabschlüssen als am realen Schicksal der Zahnarztpraxen als Arbeitgeber und deren Mitarbeiter als Arbeitnehmer hat."
Da die Bedeutung des Themas ungeachtet dieser Forderungen weiterhin als elementar wichtig in der Zahnärztekammer Berlin angesehen wird, behält man sich vor, sich im Falle besserer Rahmenbedingungen wieder für eine Teilnahme an solchen Verhandlungen auszusprechen. Notwendig dafür wäre ein novelliertes Gesundheitssystem, eine aktualisierte GOZ, die den Ansprüchen einer modernen Zahnmedizin mit leistungsgerechter Honorierung entsprechen muss sowie die überfällige Ost-West-Angleichung im Bereich der GKV, die für Berlin ca. 8 % beträgt.

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