Dipl.-Stom. Karsten Geist, Vizepräsident der Zahnärztekammer Berlin

Dipl.-Stom. Karsten Geist, Vizepräsident der Zahnärztekammer Berlin

01.06.2007

Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem andern zu.

Leitartikel 06/07

(Die Goldene Regel)
Wie oft beschweren oder wundern sich Kolleginnen und Kollegen, dass wir als Berufsstand in der Öffentlichkeit einen schlechten Ruf haben?

Wenn Sie mich fragen, wir sind selbst schuld!

Der Umgang innerhalb des Berufsstandes hat eine Entwicklung genommen, die zunehmend geprägt ist von Unzufriedenheit, Zukunftssorgen, Neid und Missgunst. Die Goldene Regel von Martin Luther verliert in diesem Zusammenhang an Bedeutung, genauso wie Immanuel Kants kategorischer Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Das führt dazu, dass Würde und Ehrenhaftigkeit des ganzen Standes immer mehr von einigen Kollegen öffentlich wirksam untergraben werden.

Es beginnt häufig mit herablassenden Äußerungen über die Therapie eines Kollegen, leichtfertig dahingesagt, in der Überzeugung, man hätte es in jedem Fall besser gekonnt. Weiter geht es mit zum Teil ehrverletzenden, pauschalen Beurteilungen über „durchschaute“ Kollegen, gegenüber Patienten und / oder Kollegen, um die eigenen Fähigkeiten herauszustellen und sich vielleicht einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Der daraus resultierende Streit verlässt dann sehr schnell die Ebene der fachlichen Diskussion. Es kommt zu schlichtenden Gesprächen in der Kammer oder gleich zu berufsgerichtlichen Verfahren mit dem Ziel, dem „Gegner“ mal so richtig zu zeigen „wo der Barthel den Most holt“. Von außen wird genau registriert, wie wir miteinander umgehen und dies anschließend zum Maßstab erklärt.

Die Fähigkeit der konstruktiv kollegialen Auseinandersetzung scheint verloren gegangen zu sein, ganz besonders in der Berufspolitik, mitunter sogar zwischen den Körperschaften. Immer seltener geht es darum, miteinander politische Ziele zum Vorteil der Kollegenschaft zu verfolgen. Vielmehr geht es um Verdrängung und die kompromisslose Durchsetzung der eigenen Interessen, meist der von Minderheiten. Es wird nicht einmal mehr davor zurückgeschreckt, gewählte Kollegen persönlich anzugreifen, sie medienwirksam zu verunglimpfen, nur weil sie ein Amt haben. Deren Arbeit in der Selbstverwaltung wird gestört, möglichst gelähmt. Dazu kommt die Unfähigkeit anzuerkennen, dass Mehrheiten für Entscheidungen notwendig sind. Man versucht, sein Ziel unmittelbar, mit Hilfe von Gerichten zu erreichen. Gleichgültig, ob Honorarverteilung oder Wahlergebnis – jeder Streit wird nach außen getragen und die Entscheidungen werden dann von Personen getroffen, die weder mit der Zahnmedizin, der Freiberuflichkeit noch mit den Zwängen der Gesetzlichen Krankenversicherung vertraut sind, ebenso wenig wie mit dem Spannungsfeld zwischen moralisch / ethischer Verantwortung und wirtschaftlichen Zwängen eines Kleinbetriebes.

Man hat den Eindruck, als hätten wir unsere interne Streitkultur genauso verloren, wie den Respekt voreinander. Damit haben wir aber leider auch unseren Anspruch verloren, vom Rest der Gesellschaft respektvoll behandelt zu werden. So scheint es, dass wir gerade dabei sind, unsere Einheit als stärkste medizinische Fachgruppe auf gesundheitspolitischer Ebene zu verlieren. Aber das ist ein anderes Thema...

Wenn wir nicht einmal intern die Grundformen der Höflichkeit praktizieren können, uns lieber gegenseitig, bisweilen sogar unflätig ins Wort fallen, werden es Politiker und Kassenvertreter mit großer Freude genauso machen. Wer sich immer nur auf seine eigenen Zwischenrufe konzentriert, ist nicht mehr in der Lage zuzuhören und sich mit Argumenten auseinander zu setzen, und was noch schlimmer ist, er will es gar nicht.

Nach der letzten Delegiertenversammlung der Zahnärztekammer Berlin erreichte uns ein Brief einer Kollegin, die als Gast anwesend war und ihrem Entsetzen über das Erlebte Ausdruck verlieh. Sie forderte, und das mit Recht, dass durch die Versammlungsleitung eine vehemente Zurechtweisung der Kollegen erfolgen sollte, die, wie sie es ausdrückte, sich nicht benehmen können – bis hin zum Ausschluss aus der Versammlung. Haben wir uns vielleicht schon an zu vieles gewöhnt?!

Wenn wir nicht langsam wieder zur Goldenen Regel zurückfinden, werden auch wir dem allgemeinen Werteverfall erliegen. Behandeln wir unsere Kollegen so, wie wir erwarten von ihnen behandelt zu werden, auch wenn es manchmal schwer fällt.

Wenn sich alle bemühen, sollte es doch zu schaffen sein.
Karsten Geist
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